Italienisches Olivenöl made in Spain

NZZ am Sonntag 24 Okt. 2010

Italienisches Olivenöl, made in Spain

Das meiste «Extra Vergine» aus Italien wird mit spanischen Oliven hergestellt

Olivenöl – oft falsch deklariert. (Bild: imago)

Schweizer Konsumenten stehen auf qualitativ hochwertiges Olivenöl aus Italien. Doch die Etiketten täuschen oft: Die Kunden werden mit einem industriell produzierten EU-Mischmasch abgespiesen.

Daniel Puntas Bernet

Es sollte kratzen im Hals, darf nach Pfeffer, grünen Tomaten oder frisch geschnittenem Gras schmecken und keinesfalls nach reifen Bananen oder Äpfeln riechen. Ein gutes Olivenöl Extra Vergine, gewonnen aus handgepflückten Oliven und innerhalb von 24 Stunden kaltgepresst und gemahlen, ist ein kulinarisches Erlebnis. Nicht nur auf getoastetem Brot im mediterranen Raum, sondern längst als Bereicherung heimischen Kopfsalats.

Das flüssige Gold des Südens erfreut sich in der Schweiz steigender Beliebtheit. 12 Mio. Liter wurden 2009 importiert, davon 93% von der Qualität Extra Vergine. Und wer sich die Regale von Coop, Migros und Denner anschaut, gelangt zum Schluss: Gutes Olivenöl kommt aus Italien. Es heisst Bertolli, Monini, Filippo Berio, De Cecco und verspricht wahlweise «Gran tradizione», «Gran fruttato», «Selezione speciale». Die Sprache der Etiketten ist eindeutig. Allein bei Globus Delicatessa stammen von 50 verschiedenen Olivenölen 40 aus Italien.

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Doch nicht überall steckt auch Italien in der Flasche drin. «EU-Blend», «Mischung aus der Gemeinschaft», «Verschiedene Öle aus dem Mittelmeerraum» ist auf der Rückseite oft zu lesen. Denn längst reicht die italienische Jahresproduktion von Olivenöl nicht einmal aus, den eigenen Bedarf zu decken (siehe Grafik). Also helfen sich die italienischen Produzenten mit einem seit 2009 von den Brüsseler Gesetzgebern legitimierten Trick: Extra Vergine besteht grösstenteils aus spanischem Olivenöl, abgefüllt und etwas angereichert in Italien.

Schweizer Konsumenten stehen auf qualitativ hochwertiges Olivenöl aus dem Nachbarland. Sei es wegen exquisiter gastronomischer Erlebnisse während der Italienferien oder des Prestiges der Marke Italien, welches die Werbung geschickt mit den sattsam bekannten Klischees neu bedient. Beispiel Bertolli: «Die Marke steht für mediterranes Lebensgefühl. Bertollis ganze Leidenschaft gehört gutem Essen, besten Zutaten und italienischer Lebensart. 1865 füllte Francesco Bertolli erstmals sein feines Olivenöl ab und verkaufte es im eigenen Lebensmittelladen im verträumten toskanischen Städtchen Lucca.» 2010 besteht der Inhalt der 1-Liter-Flasche Bertolli, erhältlich bei Denner, aus «nativem Olivenöl aus EU-Herstellung».

Wie Rotwein aus Tetra-Pack

Eine Änderung der Deklaration drängt sich gemäss dem Bundesamt für Gesundheit für die Schweiz nicht auf, zumal die eingeführten EU-Regelungen sinngemäss in Kraft sind. Wenn ein Produkt allerdings mit «100% italienisch» angeschrieben ist, müssen auch italienische Oliven drin sein. Dies ist beim Produkt Monini der Migros, dem meistverkauften Olivenöl in der Schweiz, der Fall. Doch während die Migros ausschliesslich entweder italienische oder spanische Olivenöle anbietet, sind mehr als die Hälfte aller Olivenöle bei Coop aus einer «europäischen Mischung» hergestellt.

Angesichts der zunehmenden Bedeutung der lokalen Herkunft von Lebensmitteln erstaunt, dass eine europäische Olivenöl-Einheitssauce, versehen mit einer Portion Italianità, den Konsumenten zu verführen vermag. Ei-nen «europäischen Rotwein» würde schliesslich auch niemand aus dem Regal nehmen. Ausserdem, so der Olivenöl-Importeur Giuseppe Carrabs von Buonsapore in Buchs (SG), «gleicht die Qualität vieler industriell gefertigter Extra-Vergine-Olivenöle derjenigen eines Rotweins aus dem Tetra-Pack». Und zwar unabhängig davon, ob die Oliven aus verschiedenen Ländern oder verschiedenen Regionen desselben Landes stammten.

Verkauf dank Don Quijote

Dass auch der Produktionsweltmeister Spanien hervorragendes Olivenöl herstellen kann, ist längstens bewiesen. Im Verkauf vermochten sie den italienischen Kollegen bisher das Wasser nicht zu reichen. Doch weil kein Abflauen des Olivenöl-Booms in Sicht ist, könnte sich dies ändern. Denn Konsumenten aus den Übersee-Märkten kommen auf den Geschmack von Extra Vergine: Japan importierte 2009 44% mehr Olivenöl aus der EU, Australien 35% und Kanada 26%. Soeben wurde die erste Ladung «Virgen extra» von andalusischen Olivenöl-Produzenten nach Brasilien verschifft. Auf der Etikette: Don Quijote und Sancho Pansa.